Fast jede gesellschaftliche Gruppe wehrt sich dagegen, wenn sie kategorisiert und in Schubladen gesteckt wird. Je oberflächlicher und vorurteilsbehafteter die Kategorisierung ist, desto mehr wird sie – zu Recht – kritisiert.
In Stereotypen zu denken, schränkt den eigenen Geist und die Sicht auf die Welt ein; das ist logisch.
Allerdings sollte man bei aller berechtigten Kritik auch eines beherzigen – nämlich dass Stereotype oft genug der Realität entsprechen, um dadurch überhaupt erst zum Stereotyp geworden zu sein. Sich dann mit aller Gewalt von der entsprechenden Kategorisierung zu distanzieren, das ist ebenso unfrei wie eine gedankenlose Akzeptanz der verschiedenen Stereotype.
Was das alles mit den Lesben zu tun hat?
Bis weit in die 70er Jahre hinein herrschte das Vorurteil vor, auch in lesbischen Beziehungen gebe es oft eine aktive, aggressivere, sozusagen „männliche“ Partnerin, die man Butch oder auch Dyke nannte, und eine passive, scheuere, also „weibliche“ Partnerin, die man als Femme bezeichnete.
Mit ähnlichen Kategorisierungen hatten ja auch die Schwulen zu kämpfen.
Butch bedeutet übrigens wörtlich aus dem Englischen übersetzt männlich oder maskulin; und Femme ist der französische Begriff für Frau.
Ein Dyke ist ein Damm oder Gesteinsgang; was das jetzt mit lesbischen Frauen zu tun hat, ist mir absolut schleierhaft. Dazu müsste man sicher aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammen, um das zu verstehen. Aber auch im Deutschen haben wir ja unsere Begriffe, die lesbische Girls verächtlich herabsetzen – die Bezeichnung Kampflesbe zum Beispiel, oder auch Mannweib.
Natürlich versuchte man damit, die lesbische Beziehung quasi der heterosexuellen anzunähern, indem man behauptete, es gebe dabei sozusagen eine Frau, die die typische männliche Rolle übernehme, und eine Frau, die der weibliche Part sei. Und das war natürlich politisch absolut nicht korrekt …
Kein Wunder also, dass viele Lesben sich sehr massiv gegen eine solche Verallgemeinerung gewehrt haben. Lange Zeit waren die Begriffe Dyke und Butch und Femme deshalb absolut verpönt.
Ein Vorurteil kategorisch in jedem Fall und ohne weiter nachzudenken abzulehnen, ist allerdings, wie gesagt, auch nicht weit von einem Vorurteil lediglich mit umgekehrten Vorzeichen entfernt.
Heute lösen etliche Lesben sich vom einen wie vom anderen Vorurteil und leben einfach, wie es ihnen gefällt.
Sollte das so aussehen, dass eine der beiden Lesben eher den männlichen Part übernimmt und die andere eher den weiblichen, dann ist das eben so und man lebt es frei genauso aus, weil man es will.
Wobei es übrigens damals wie heute auch lesbische Beziehungen zwischen zwei „Butches“ oder zwei „Femmes“ gab – ebenso wie im Bereich der BDSM Erotik ja zwei devote oder zwei dominante Partner durchaus miteinander glücklich werden können.
Und dann gibt es auch noch die Switcher, die beide Rollen übernehmen können und wollen und einfach öfter mal wechseln.
Von Vorurteilen sollte man sich in seinen Lebensstil eben weder so, noch anders herum hineinreden lassen!